🤓 Verstehe und führe eine Organisation wie einen Organismus. 🌿

Dez. 12, 2024 | Mehrwert, Wissen

Wir alle kennen Metaphern und Sprüche zu Organisationen wie „Da ist Sand im Getriebe“ oder „Diese Organisation läuft wie ein Uhrwerk“. Und doch verhält sich eine Organisation so gar nicht wie eine Maschine. Weder läuft sie im Normalfall so, noch verhält sie sich bei Interventionen so. Belege gefällig? Wenn man aus einer Maschine wie oben abgebildet ein Zahnrad entfernt, funktioniert die gesamte Maschine nicht mehr. Wenn man in einer Organisation sogar an mehreren Stellen gleichzeitig Krankenstände hat, steht deshalb (in aller Regel) nicht der gesamte Betrieb still. Der Betrieb verhält sich eher wie ein Strauch, an dem ein Blatt von Schädlingen befallen wird. Eine Organisation ist – wie die Natur – sehr erfinderisch, solche Herausforderungen zu meistern. Das liegt unter anderem daran, dass die Arbeit in einer Organisation nicht (nur) dort hinfließt, wo sie laut Organigramm erledigt werden müsste, sondern dorthin, wo sie tatsächlich erledigt wird. Nicht umsonst lautet der Insidertipp unter erfahrenen Führungskräften: „Wenn du eine dringende Arbeit mit hoher Qualität erledigt haben musst, gib sie den Mitarbeiter:innen, die sowieso schon überlastet sind. Du hast dort trotzdem die besten Chancen.“

Organisationsverständnis in der Regel Benedikts

Benedikt äußert sich an vielen Stellen seiner Regel zum Thema Organisation. Das ist nicht verwunderlich, wenn man weiß, dass die 1.500 Jahre alte, unveränderte Regel Benedikts nicht nur eine Regel für ein besonders monastisches Leben ist, sondern vor allem eine friedvolle, funktionierende Gemeinschaft zum Ziel hat. Im heutigen Sprachgebrauch würden wir so etwas vermutlich eine Satzung nennen.

Sein Verständnis von Führung wird deutlich, wenn er sagt: „Durch Selbsterhöhung steigen wir hinab und durch Demut hinauf.“ (RB 7,7), oder „Er (der Abt) wisse, dass er mehr helfen als herrschen soll“ (RB 64,8), oder auch „Wer es auf sich nimmt, Menschen zu führen, muss sich bereithalten, Rechenschaft abzulegen.“ (RB 2,37). Hier wird schon deutlich, dass er eher zu einem Organismus-Verständnis tendiert, in dem Führung als Dienstleistung verstanden wird und nicht als Privileg, wie in einem mechanistischen Pyramidenverständnis.

Auch seine umfangreichen Ausführungen zu Disziplin und Gehorsam (RB 5, 1-19) bestätigen das. Denn, ob Disziplin und Gehorsam gut oder schlecht sind, hängt vom Menschenbild und Organisationsverständnis ab. Während sie in einer Pyramide als Instrumente der Unterdrückung genutzt werden, dienen sie in einer „Organismus-Organisation“ der Entdeckung meiner Persönlichkeit.

Mit „Der Abt treffe keine ungerechte Verfügung, als könnte er seine Macht willkürlich gebrauchen“ (RB 63,2) sieht man auch schon, dass hier weder Willkür noch blinder Gehorsam Platz haben. Macht geht hier einher mit sehr viel Verantwortung und individueller Fürsorgeverpflichtung. Das ist gut zu lesen bei: „Der Abt sei sich bewusst, was er übernommen hat: Die Sorge um schwache Seelen, nicht eine Gewaltherrschaft über gesunde.“ (RB 27,6), oder „Muss er doch dem einen mit gewinnenden, dem anderen mit tadelnden, dem dritten mit überzeugenden Worten begegnen. Nach der Eigenart und Fassungskraft jedes Einzelnen soll er sich auf alle einstellen und auf sie eingehen“ (RB 2.31-32), oder auch „Wenn einem Bruder etwas aufgetragen wird, was ihm zu schwer oder unmöglich ist, nehme er zuerst den erteilten Befehl an, in aller Gelassenheit und im Gehorsam. Wenn er aber sieht, dass die Schwere der Last das Maß seiner Kräfte völlig übersteigt, lege er dem Oberen dar, warum er den Auftrag nicht ausführen kann.“ (RB 68,1-2). Einspruch ist also möglich.

Und wo steht Ihre Organisation? – Der Selbsttest

Sie möchten jetzt gerne wissen, welches Organisationsverständnis in Ihrer Organisation nicht proklamiert, sondern praktisch gelebt wird? Dafür seien Ihnen 10 Indikatoren an die Hand gegeben, mit denen Sie einen Selbsttest durchführen können. Er wird Ihnen zeigen, zu welchem Indikator Ihr Organisationsverständnis wo in der Polarität zwischen „Maschine“ und „Organismus“ steht.

  1. Menschenbild in der Organisation Werden bei Ihnen Mitarbeiter als Räder in der Maschine gesehen oder sind es Menschen als Teil eines sozialen Systems? Sind Führungskräfte Mitarbeiter mit andersartigen Aufgaben oder sind sie auch anderswertig? Begegnen sich alle auf Augenhöhe, unabhängig von Rolle, Hierachiestufe, Betriebszugehörigkeit, Erfahrung, …?
  2. Inhaltlicher Fokus der Strategiearbeit Hat Strategiearbeit in Ihrer Organisation einen ausschließlichen Finanz- oder gar nur einen Profitfokus oder erkennen Sie eine holistische Strategiearbeit, die People, Planet und Profit als gleichwertige Zieldimensionen ins Auge nimmt?
  3. Fristigkeit des Managementhandelns Sehen Sie in Ihrer Organisation eine sehr kurzfristige Steuerung, womöglich eine ausschließliche Quartalsorientierung bis hinauf zur Geschäftsleitung? Oder sehen Sie zumindest in der Geschäftsleitung auch eine langfristige Ansteuerung und eine Nachhaltigkeitsorientierung über mehrere Jahre hinaus?
  4. Vergangenheit oder Zukunft als Planungsgrundlage Wird bei Ihnen die Zukunft als Extrapolation der Vergangenheit geplant „Haben wir immer schon so gemacht“ oder „5% mehr gehen doch immer“? Versuchen Sie „mit dem Auto einen komplizierten Parcours zu befahren, indem sie nur in den Rückspiegel schauen“?  Beschreiben Ihre Controlling Daten fast ausschließlich die Vergangenheit? Oder haben Sie ein Zielbild für Ihre Zukunft und die Maßnahmen werden auf dieser Grundlage aus der Zukunft in die Zukunft geplant (Matthias Horx nennt das Re-Gnose)? Sieht Ihr Unternehmen seine Existenzberechtigung in einer nur mechanistisch tradierten Zweckbestimmung oder versucht es, eine Anpassungsleistung an zukünftig veränderte Anforderungen zu erbringen oder gar die zukünftigen Anforderungen selbst mitzugestalten?
  5. Rollenverständnis der Führungskräfte Sind bei Ihnen Führungskräfte eher Manager zur Planung, Anweisung und Kontrolle der Arbeit? Oder sind sie eher Coaches zur Stärkung der Mitarbeiter und zur Unterstützung von Lernen, Leistung und Autonomie, um agil in autonomen und flexiblen Teilorganisationen mit wenig Hierarchie leichter mit den zukünftigen Herausforderungen der Welt klarzukommen?
  6. Vorfahrt für Regeltreue oder für Sinnhaftigkeit Stehen bei Ihnen Dienstanweisungen und Compliance im Vordergrund oder Eigenverantwortung und Integrität? Welches Verhalten wird im Zweifel eher positiv sanktioniert: Regeltreue, auch wenn es unternehmerisch nicht sinnvoll ist, oder unternehmerische Sinnhaftigkeit auch bei Regelverstoß, weil eine Regeleinhaltung beim konkret vorliegenden und damals nicht vorgedachten Fall zu Konsequenzen führen würde, die bei der Regelformulierung nicht gewollt gewesen wären?
  7. Kommunikationswege Gibt es in Ihrer Organisation nur Wasserfallkommunikation von oben nach unten und ist es verboten, dass ein Mitarbeiter der Abteilung A direkt mit einem Mitarbeiter der Abteilung B spricht, ohne dass die beiden Abteilungsleiter:innen dabei mit eingebunden oder gar um Erlaubnis gefragt werden müssen? Oder praktizieren Sie eine hierarchiefreie oder gar virale Kommunikation?
  8. Die Größe des Tellerrands Arbeiten Sie sehr ausgeprägt in Ihren „Silos“ und streben Sie dabei ambitionierte, aber eben abgegrenzte, nur lokal optimale Lösungen an oder wird bei Ihnen bereits eine vernetzte Co-Kreation gelebt, um abteilungsübergreifend ganzheitlich beste Lösungen zu finden? Diese Frage sei nicht verstanden als Kriminalisierung von funktionalen Einheiten, deren Kompetenzfokus notwendig ist für Professionalisierung und Innovation.
  9. Die Quelle des Antriebs Ist bei Ihnen der Antrieb zur Leistung eine Motivation durch Belohnungen wie z.B. Geld oder Vergünstigungen oder gar Zwang durch Befehl und Gehorsam oder Angst wegen Androhung von Sanktionen? Oder liegt der überwiegende Teil des Antriebs zur Leistung in der intrinsischen Motivation, in der Inspiration und Sinnstiftung (Purpose) aus einem für alle attraktiven Zielbild?
  10. Glaubensgrundsatz zum Verhältnis von Aufwand und Ergebnis Glaubt Ihre Organisation an eine lineare Kopplung von Input und Output? Umsatz skaliert beispielsweise direkt proportional mit der Mitarbeiteranzahl oder dem Marketingbudget oder Akzeptanz von Veränderungen skaliert mit dem Aufwand, den man in das Change-Management investiert? Oder versteht Ihre Organisation die mögliche exponentielle Kopplung durch Resonanz & Selbstverstärkung?

Die Bedeutung für unsere Beratungsarbeit

Wir verstehen, dass Organisationen nicht wie Maschinen genau vorgedachten Regeln und Kausalketten folgen, sondern komplexe Organismen mit einem systemischen Eigenleben sind, bei denen die Auswirkungen gesetzter Impulse nicht vollständig vorhersehbar sind. Deshalb beginnen unsere Interventionen bei den Menschen und wir bleiben damit dann nah am Ball, um agil nachzusteuern. Menschen sind keine Maschinen und wollen auch nicht so behandelt werden. Ausgehend vom Individuum als kleinste systemische Einheit verstehen wir Organisationen als ein großes organisches System, das von Einzelpersonen bis zu großen Teams von Lebendigkeit, Kreativität, Emotionen, Fähigkeiten u.v.m. geprägt ist und dessen Tun auch dadurch bestimmt wird.

Mechanistische Modelle von Organisationen haben sich als falsch herausgestellt. Gerade in Bezug auf Veränderungsinterventionen verhalten sie sich eher wie ein Organismus. Zudem hat sich gezeigt, dass Hierarchie mit Komplexität nicht umgehen kann! Daher zielen wir in unserer Arbeit darauf ab, die Kenntnisse, Fähigkeiten und Potentiale der Individuen und Teams in einer Organisation zu nutzen, damit diese, allein oder in Kombination, bestmögliche Antworten und Lösungen für Herausforderungen finden. Dieses Miteinander gestaltet letztendlich die gelebte Organisationskultur.

Beenden wir eine sehr mechanistische Pyramidenvorstellung. Menschen entsprechen immer weniger den Stellenbeschreibungen, bei der Einstellung und im Regelbetrieb. Wenn sich Menschen entwickeln und entfalten können, können sie viel mehr, als eine Stelle ausfüllen. Ein Diskussionspartner formulierte das mal sehr despektierlich aber handlungsleitend richtig mit: „Lerne mit den Ochsen zu pflügen, die du im Stall stehen hast.“

Wie man sieht, sind die alten Regeln bei einer Übersetzung in unsere aktuelle Welt und unseren heutigen Sprachgebrauch so aktuell wie nie und eine zukunftsgerichtete Orientierung für eine Gesellschaft, in der wir gerne leben wollen.

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