😈 Hasse die Fehler – Liebe die Menschen 🩵

Apr. 24, 2025 | Allgemein, Persönlichkeit

„Wo Licht ist, ist auch Schatten“ heißt es. Oder auch – in die moderne Sprache übertragen: „Nobody is perfect“.

Menschenentwicklung bei den Benediktinern

Die Regel Benedikts sagt zum guten Eifer der Mönche: „Ihre körperlichen und charakterlichen Schwächen (Anm.: die eigenen und die der Anderen) sollen sie mit unerschöpflicher Geduld ertragen (72,5)“. Benedikt wusste aber auch bereits vor 1.500 Jahren, dass geduldig sein und ignorieren nicht das gleiche ist und man mit dem Ignorieren der Schattenseiten nicht stimmig leben kann. Daher ist mit seiner Aussage nicht gemeint, nicht an sich zu arbeiten und andere bei deren Schattenarbeit zu unterstützen.

Im Prolog (36) steht nämlich auch: „Deshalb sind uns die Tage des Lebens als Frist gewährt, damit wir uns von unseren Fehlern bessern.“ Es ist also unser Auftrag, das Entwicklungspotenzial für sich, aber auch im Miteinander zu heben.

Im – übrigens außergewöhnlich umfangreichen – Kapitel über die Demut heißt es: „Der Mensch soll allzeit seine Fehler vor Augen haben (RB 7).“ Dies erinnert an die spirituelle Praxis, sich dem eigenen Schatten zu stellen – also den ungeliebten oder verdrängten Seiten des Selbst. Benedikts Regel betont also die Bedeutung der demütigen Selbsterkenntnis. Mönche sollen sich ihrer eigenen Unvollkommenheiten bewusstwerden.

Neben der Selbstverantwortung für die eigene Persönlichkeitsentwicklung finden sich ähnliche Verantwortungen auch in der Führung. Im Kapitel über Einsetzung und Dienst des Abtes heißt es: „Er hasse die Fehler, er liebe die Brüder. (RB 64.11)“ Das bedeutet also, nicht den Menschen wegen seiner Fehler und Schwächen zu verurteilen, sondern seiner Fürsorgepflicht nachzukommen und ihn in seiner Entwicklung zu unterstützen.

Moderne Führung

„Heilig“ heißt auf Englisch übersetzt „holy“ und das zurückübersetzt heißt eben auch „ganz“. Es geht also um das Erreichen von Ganzheitlichkeit, und dazu gehört Alles, die Stärken genauso wie die Schwächen.

Wir kennen niemanden, dem es gelingt, immer alles richtig zu machen, der nicht auch schwache Seiten oder anders ausgedrückt Schattenseiten hat.

Schatten sind Teil der Persönlichkeit, die uns ausmacht. Sie gehören genauso zu uns wie unsere Sonnenseiten. Diese Bi-Polarität lässt sich in unserer Natur, in unserem Leben andauernd beobachten: Tag und Nacht, Hitze und Kälte, Freude und Trauer, Anspannung und Entspannung, Jung und Alt, schnell und langsam. Vieles wäre ohne diese Gegensätze gar nicht vollständig, nicht komplett, nicht heil. Und genau das würde mit uns passieren, wenn wir unsere Schattenseiten nicht akzeptieren, sie sogar verleugnen: Wir wären nicht komplett, nicht stimmig, nicht heil. Ohne diese Erkenntnis rational und emotional annehmen zu können, wird es schwierig mit der Selbstliebe. Und ohne Selbstliebe andere zu führen, ist sehr schwierig und macht Führung auch anstrengend.

Wann, wenn nicht jetzt?

Heute ist der beste Tag, damit anzufangen. Dazu eine Metapher: Wenn dir in der Nacht ein Hase vor das Auto springt, rennt er im Lichtkegel bis zur totalen Erschöpfung. Er bleibt lieber so lange im bekannten Leid, als in den unbekannten Schatten zu springen, obwohl ihn ein Sprung zur Seite sofort in Sicherheit bringen könnte.

Bleibe also nicht wie der Hase unnötig lange in der scheinbaren, aber gefährlichen Komfortzone, sondern stelle dich deinen Schatten so früh wie möglich. Später wird es nicht leichter.

Positive Effekte

Deine eigenen Schatten zu kennen und deren Existenz wirklich zu akzeptieren hat viele positive Effekte:

1. Es ermöglicht Dir die Selbstliebe. Und ohne Selbstliebe andere zu führen ist sehr schwierig und macht Führung auch anstrengend.

2. Es gibt Dir Anregungen, wo Du noch an Dir arbeiten sowie weiterwachsen und gedeihen kannst.

3. Es gibt Dir Anregungen, wo Du Dich evtl. zurückhalten und mehr auf andere hören solltest.

4. Es schafft mehr Bewusstsein und auch Nachsicht für die Schattenseiten der Menschen um Dich herum und damit mehr Verständnis für sie.

Konkrete Empfehlungen für Schattenarbeit:

Einige moderne Schriftsteller beschäftigen sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts mit „Schattenarbeit“, wie z.B. Carl Gustav Jung (1875–1961), Robert A. Johnson (1921–2018), Debbie Ford (1955–2013), Connie Zweig & Steve Wolf, Ken Wilber (geb. 1949). Hier einige Empfehlungen, Techniken, Übungen und Tipps für den Alltag.

Aber Achtung: Schattenarbeit ist kein schneller Prozess, sondern eine tiefe Reise zur Ganzheit. Bewusst bieten wir hier eine lange Liste an, damit wirklich alle Ideen finden, die zur eigenen Persönlichkeit und Situation passen.

  1. Selbsterforschung: Beobachte deine spontanen Reaktionen auf andere Menschen – oft projizieren wir nämlich unseren Schatten auf andere. Frage dich: Was lehne ich an anderen besonders ab?
  2. Traumanalyse: Der Schatten zeigt sich oft in Träumen als fremde, bedrohliche oder unangenehme Figuren. Schreibe deine Träume auf und reflektiere über deren Bedeutung.
  3. Kreativer Ausdruck: Zeichnen, Schreiben oder Malen kann helfen, verborgene, innere Anteile sichtbar zu machen.
  4. Bewusstmachen und Integrieren: Anstatt den Schatten zu unterdrücken, betrachte ihn als Teil von dir, der eine wichtige Botschaft hat.
  5. Aktive Imagination: Setze dich hin, schließe die Augen und stelle dir vor, wie dein Schatten dir gegenübersitzt. Führe einen inneren Dialog mit ihm.
  6. Schatten-Tagebuch: Schreibe auf, wann du in bestimmten Situationen besonders emotional reagierst. Frage dich: Welche ungeliebten Anteile von mir könnten hier am Werk sein?
  7. Die „Goldene Schatten“-Übung: Nicht nur negative, sondern auch positive verdrängte Eigenschaften gehören zum Schatten. Überlege: Welche bewundernswerten Eigenschaften sehe ich in anderen, traue sie mir selbst aber nicht zu?
  8. Die „20 Makel“-Übung: Schreibe eine Liste mit 20 Eigenschaften auf, die du an dir nicht magst. Überlege, wie sie dir in deinem Leben auch dienlich sein könnten.
  9. Radikale Ehrlichkeit: Suche bewusst Situationen, in denen du einen Teil von dir leugnest. Sage z. B. nicht nur „Ich bin nett“, sondern erkenne an: „Ich bin manchmal auch egoistisch – und das ist menschlich.“
  10. Schatten-Rollenspiel: Spiele bewusst einen Anteil aus deinem Schatten (z. B. Arroganz, Wut) in einem sicheren Rahmen, um seine Energie zu erfahren.
  11. Beobachte deine Trigger: Wenn dich jemand besonders aufregt, frage dich: Spiegelt diese Person einen verdrängten Teil von mir?
  12. Übung mit einem Spiegel: Schaue dir tief in die Augen und sprich laut aus: „Ich sehe dich, mit allem, was du bist.“ Notiere, welche Emotionen dabei hochkommen.
  13. Schatten-Tagebuch für Beziehungen: Wann reagierst du übertrieben empfindlich? Diese Momente geben Hinweise auf verborgene Themen.
  14. 3-2-1-Methode: 3. Person: Beschreibe deinen Schatten (z. B. „Er ist wütend und aggressiv.“) 2. Person: Sprich ihn direkt an („Warum bist du hier? Was willst du mir sagen?“) 1. Person: Identifiziere dich mit ihm („Ich bin wütend. Ich habe unterdrückte Wut in mir.“)
  15. Meditation & Körperarbeit: Schattenarbeit ist nicht nur kognitiv – Atemtechniken oder Yoga helfen, unterdrückte Emotionen zu lösen.
  16. Integration ins tägliche Leben: Schattenarbeit ist ein langfristiger Prozess. Setze dir bewusst kleine Herausforderungen, um verdrängte Anteile zu erleben (z. B. als Perfektionist absichtlich einen Fehler machen).

Die Bedeutung für unsere Beratungsarbeit

Aus unserer Berater- und Coaching-Praxis wissen wir natürlich, dass das schmerzhaft, aber gleichermaßen auch charakterbildend ist, und damit persönliche Entwicklung gefördert wird.

Als Esteamacon bemühen wir uns auch selbst um unsere 10 (An-)Gebote für benediktinisch geprägtes Führen, und das bedeutet auch für uns, den Schatten über Selbstreflexion und Feedback zu sehen, zu akzeptieren und zu integrieren. Wir handeln nach bestem Wissen und Gewissen und reflektieren die Wirkung unseres Handelns.

Damit unterstützen wir Menschen und Organisationen aktiv auch darin, ihre eigenen Stärken und Schwächen zu (er)kennen und zu akzeptieren und aus Beidem das Beste zu machen.

Wie man sieht, sind diese bewährten Regeln bei einer Übersetzung in eine moderne Welt und ihren Sprachraum aktueller denn je und eine Orientierung für eine Gesellschaft, in der wir zukünftig gerne leben wollen.

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